Historische Entwicklung der Stereophotographie | |||
Geschichte der Stereoskopie Eigentlich haben wir uns bei fotografischen Darstellungen und im Film heutzutage ganz selbstverständlich an die 2-dimensionale(1) Darstellung gewöhnt. Und trotz Schlagwörtern wie 3-D(2), vermißt eigentlich niemand, daß bei den Fotos, die z.B. im Urlaub gemacht wurden oder beim abendlichen Fernsehabend die räumliche Tiefe fehlt. Man kennt es nicht anderst und es fällt auch den wenigsten Menschen auf, denn durch die verschiedene Größe der einzelnen Objekte und ihre Position, kann unser Gehirn recht genau bestimmen, was im Bild vorne oder weiter hinten ist und wie sie sich das Gesehene räumlich vorstellen müssen. Anderseits ist das räumliche Sehen für uns eine Selbstverständlichkeit im Alltag. Beim Greifen nach einem Gegenstand wissen wir durch unser Sehen genau, in welchem Abstand er sich vor uns befindet und beim Einparken, können wir recht genau einschätzen, wieviel Platz wir noch zum nächsten Auto haben. Was aber befähigt uns zum 3-dimensionalen Sehen? - Durch unsere zwei Augen sehen wir zwei, um den Augenabstand von ca. 6,3cm verschobene Bilder, die minimal verschieden sind. Das Gehirn verbindet diese beiden Bilder dann wieder zu einem räumlichen Bild. Dies kann man selber sehr leicht ausprobieren, indem man seinen Arm mit erhobenem Daumen vor sich ausstreckt und nun den Daumen einmal nur mit dem linken und das andere Mal nur mit dem rechten Auge betrachtet. Der Hintergrund "springt" dabei hin und her, je nachdem, welches Auge gerade geöffnet ist. Wenn wir den Daumen dann mit beiden Augen betrachten, werden diese 2 Teilbilder von unserem Gehirn vereinigt und dieser hebt sich vom Hintergrund ab. Wollenwir also den Sprung vom 2- zum 3-dimensionalen Bild schaffen, brauchen wir statt einem, mindestens zwei, versetzt aufgenommene Bilder, die von den Augen auch getrennt betrachtet werden können. Sowohl der griechische Mathematiker Euklid (300 v. Chr.), wie auch Galenos (um 200 v. Chr.), der Arzt Mark Aurels, hatten in ihren Schriften bereits Andeutungen über das räumliche Sehvermögen gemacht(3). Das Universalgenie Leonardo da Vinci befaßte sich vor ca. 500 Jahren bereits mit dem Phänomen, daß man durch das Schauen mit 2 Augen gewissermaßen um einen Gegenstand herumschauen kann. Er bewies seine Aussage mit zwei Kerzen, die er rechts und links und links vor einem Gegenstand aufstellte und deren Strahlen den Blick der beiden Augen simulierten. Nach einem gewissen Abstand trafen sich die Strahlen hinter dem Gegenstand wieder(4). Ein ähnlicher Versuch läßt sich selbst leicht wiederholen, wenn man wie oben, den Daumen wieder hochhällt. Schauen wir jetzt auf den Hintergrund, wird nur das direkt hinter dem Daumen liegende verdeckt, was weiter weg ist, sehen wir wieder als Gesamtes. Es gibt eine doppelte Tuschezeichnung von Jacopo Chimenti da Empoli, die um 1600 entstand. Betrachtet man die Zeichnung in einem Gerät, welches bewirkt, daß jedem Auge nur das jeweilige Bild zugeführt wird, läßt sich ein körperhafte Dimension der Person erkennen. Diese Zeichnung entstand vermutlich für Johann Baptista Porta, einem Gelehrten aus Neapel, der versuchte in einem 1593 veröffentlichtem Buch, den plastischen Effekt bildlich zu beweisen(5). Genau hier lag und liegt auch das große Problem, wie bringe ich meine Augen dazu, zwei verschiedene Bilder zu betrachten, wo das menschliche Auge normalerweise sich immer automatisch auf einen Punkt fixiert. Fast gleichzeitig mit der Erfindung der Fotografie beschäftigte sich der englische Physiker Sir Charles Wheatstone 1832 mit dem Problem des räumlichen Sehens. Er konstruierte ein Betrachtungsgerät, bei welchem auf einer Holzlatte links und rechts die verschiedenen Bilder angebracht wurden. In der Mitte befestigte er im rechten Winkel zwei Spiegel, die man sich in geringem Abstand vor die Augen hielt, so daß man mit dem linken Auge das linke Bild und mit dem rechten Auge das Bild auf der rechten Seite betrachten konnte. Dies erforderte natürlich spezielle, versetzt gemalte Zeichnungen, was sich als recht schwierig erwies, da die minimalen Unterschiede, die zwischen dem linken und rechten Teilbild bestehen, genau erfaßt werden mußten. Das Gehirn vereinigte beide Bilder dann wieder zu einem. Er nannte sein Gerät "Stereoskop". Diese Bezeichnung ist noch heute gebräuchlich für Apparate, die "binokulares"(6) Sehen ermöglichen(7). Der Begriff "Stereo", der hier erstmalig verwendet wurde entstammt dem Griechischen und bedeutet soviel wie "körperlich". Das Stereoskop befähigt demnach, "körperlich", d.h. "räumlich" zu sehen(8). Die Übertragung des Begriffs auf die Musik erfolgte erst sehr viel später. Wheatstone kam aufgrund der Schwierigkeiten, solche versetzten Bilder zu malen auf die Idee, dieses Verfahren auf die gerade erst erfundene Kunst der "Fotografie" zu übertragen und er ließ im von W.H.F Talbot, der die "Kalotypie"(9) erfunden hatte und von Henry Collen stereoskopische Aufnahmen herstellen. Hierzu wurde die Kamera einfach etwa um den Augenabstand verschoben und eine 2. Aufnahme gefertigt. Die ersten stereoskopischen Aufnahmen entstanden schon im Jahr 1841(10). Ein weiterer Engländer, Sir David Brewster beschäftigte sich ebenfalls stark mit dieser neuen Technik. Er konstruierte 1849 einen Betrachtungsapparat, der wesentlich handlicher und kompakter als das unförmige System Wheatstones war. Hierbei handelte es sich um einen Holzkasten, bei dem man durch zwei Linsen auf die beiden gegenüberliegenden Fotografien schaute. Jedes Auge sieht nur dabei nur das für es bestimmte Bild. Die Londoner Optiker weigerten sich jedoch, für ihn solche Betrachtungsapparate zu bauen. So reiste Brewster 1950 nach Frankkreich und begab sich mit einem Musterapparat, den ein Optiker in Dundee angefertigt hatte und mit streoskopischen Papierbildern zu dem Abt Moignot. Dieser war für die Verbreitung von wissenschaftlichen Arbeiten bekannt und der führte ihn bei dem Pariser Optiker Jules Dubosq ein, einem Schwiegersohn des damals recht bekannten Optikers Soleil. Dieser interessierte sich sehr für die neue Erfindung und fertigte das Stereoskop nach den Plänen Brewsters. Zusammen mit einer kleinen Serie von stereoskopischen Musterbildern (Landschafts- und Städteaufnahmen, Blumen, Skulpturen,....) wurden diese dann relativ preisgünstig zum Kauf angeboten. Es war sofort ein voller Erfolg und die Vorstellung der neuen Stereobetrachter auf der Weltausstellung 1851 in London löste einen wahren Stereoboom aus. Aus den verschiedensten Materialien wurden die Stereoskope gefertigt und Brewster überreichte Königin Viktoria, die an der neuen Erfindung ebenfalls Interesse bekundete, ein besonders luxeriöses Exemplar, das speziell für sie gefertigt wurde. Dubosq schickte Tausende von Apparaten nach London, wo verschiedene optische Hersteller sich nun besannen und anfingen, nach dem Muster aus Paris eigene Stereoskope zu bauen(11). Sir David Brewster hatte 1849 auch die zweiäugige Kamera erfunden, mit der man gleichzeitig 2 Aufnahmen machen kann und in verschiedenen Publikationen beschrieben. Diese wurde aber nicht gebaut, vor allem wegen der Schwierigkeiten, 2 identische Linsenpaare herzustellen(12). Bis 1853 benutzte man für Stereoaufnahmen entweder eine gewöhnliche Kamera, die seitlich verschoben wurde oder zwei Einzelkameras nebeneinander. Am 4. Oktober 1853 führte ein Mr. Burgess eine Kamera mit 2 Objektiven der Liverpool Photographic Society vor und am 7. Januar 1854 erwarb der Pariser Achille Quinet ein Patent auf eine "Binokular"-Kamera. Er gab ihr den Namen "Quinetoscop"(13). Die Stereokamera war geboren. Am Anfang waren es noch hölzerne Kästen mit 2 Objektiven, aber bereits 1860 kam kamen die ersten Stereokameras mit Lederbalgen auf den Markt. Blende und Verschuß waren gekoppelt, wodurch es möglich wurde, mit diesen "zweiäugigen" Stereokameras, auch von beweglichen Objekten und Menschen Stereoaufnahmen zu fertigen, ohne daß diese mit verschiedensten Stützgestellen in einer bewegungslosen Haltung fixiert werden mußten. Allerdings begrenzte die niedrige Empfindlichkeit des Aufnahmematerials und die damit verbundenen langen Belichtungszeiten die Möglichkeiten. Durch die damaligen Naßplatten, die erst kurz vor der Aufnahme mit der lichtempfindlichen Flüssigkeit beschichtet werden konnten und sofort danach entwickelt werden sollten, entsprach die Ausrüstung eines Landschaftsfotografen damals einer heutigen Campingausrüstung für eine ganze Familie. Ein begeisterter Stereoskopiker war der amerikanische Autor Oliver Wendell Holmes. Er schrieb: "Ihre Einzelheiten erzeugten die Illusion der Wirklichkeit und ermöglichen es ihm, die schönsten Ansichten zu betrachten, die Welt zu bieten hat."(14) Er konstruierte 1861 einen neuartigen Betrachter(15), bei dem die Augen gegen Fremdlich abgeschirmt wurden und der Betrachtungsabstand zum Bild auf einer Holzleiste variiert werden konnte, womit jeder individuell für sich die Schärfe einstellen konnte. Dieses "holmsche" Stereoskop wurde der Standartbetrachtungsapparat der folgenden Jahrzehnte für Stereoaufnahmen. Die erste Welle der Beliebtheit von Stereoaufnahmen wurde von der Erfindung der "carte de visite" abgelöst. Dies sind mehrere Aufnahmen des Käufers selber auf einer Fotoplatte und von diesen konnten beliebig viele Abzüge gemacht werden. Das Verfahren war recht preisgünstig. Man ließ sich für wenig Geld porträtieren und hatte eine lebensechte Erinnerung für sich und andere. Noch heute findet man diese "carte de visite" fast auf jedem Flohmarkt. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts bekam die Stereoskopie jedoch einen neuen Aufschwung. Durch die neu erfundene Gelatine-Trockenplatten wurde das Fotografieren wesentlich einfacher. Der Fotograf mußte nicht mehr das ganze Labor bei der Aufnahme mitschleppen, sondern nur noch die Glasplatten mit der lichtempfindlichen Gelatineschicht. Die Beschichtung und Entwicklung konnte zu einem anderen Zeitpunkt erfolgen. So war es den Fotografen möglich, auch entlegenste Gegenden der Erde zu bereisen und auf Fotoplatte zu bannen. Auch die Kameras wurden immer kleiner und leichter, obwohl sie im Gegensatz zu den heutigen Apparaten natürlich riesig waren. 9 x 18 cm war damals das Standartformat für Stereoaufnahmen, bei den heutigen KB-Kameras ist der Standart 2,4 x 3,6 cm. Auch wurde damals meistens noch mit Glasplatten fotografiert. Erst mit der 1888 von Gerorge Eastman herausgebrachten "Kodak-Box" konnte sich der Rollfilm langsam auf dem Markt durchzusetzen(16). Ernsthafte Fotogafen benutzten aber bis Mitte der 30er Jahre noch Glasplatten als Trägerschicht für das Aufnahmematerial. In einer Zeit, in der es noch kein Film und Fernsehen gab und größere Reisen sich auch nur sehr reiche Bürger leisten konnten, waren Stereobilder eine Möglichkeit, sich ein "realistisches" Bild von der Welt zu verschaffen und die Menschen hatten in dieser Zeit, in der die ganze Welt in "Kolonien" aufgeteilt wurde auch zunehmendes Interesse, wie es auf den anderen Orten dieser Erde aussieht. Stereokarten in der Machart der "carte de visite" wurden in riesigen Stückzahlen hergestellt und dazu gab es Holmes-Betrachter in den verschiedensten Variationen. Um die Jahrhundertwende war ein Großteil aller Haushalte mit einem solchen Stereobetrachter ausgestattet. 1894 konstruierte der Franzose Jules Richard eine neue, kleinere, handliche Stereokamera aus blau getöntem Messing im Format 4,5 x 10,5 cm, die unter dem Namen Richard Vérascope auf den Markt kam und bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts hergestellt wurde. 1905 stellte Richard seine Glyphoscope der Öffentlichkeit vor(17). Diese Kamera ähnelte der Vérascope, jedoch konnte die Frontplatte mit dem Verschluß abgenommen werden und so konnten die selbst aufgenommenen Stereo-Dias mit der Kamera auch betrachten werden. Mit diesen Kameras wurde die Stereofotografie auch für die breite Masse der Bevölkerung möglich und erfreute sich speziell in Frankreich großer Beliebtheit. Viele Kameras, auch die deutsche Voigtländer-Stereophotoscope (1905) und auch das Heidoscop (1921) Franke & Heidecke (Rollei) orientierte sich an der Grundidee Richards. Aber auch in allen anderen gängigen Kamerakonstruktionen dieser Zeit gab es ebenfalls Stereokameras. Auch gab es Spiegelvorsätze für Stereoaufnahmen, die man auf das Objektiv einer einlinsigen Kamera aufstecken konnte. Durch sie wurde das Bild in eine Stereoaufnahme unterteilt. Die Wirkungsweise wurde bereits 1894 von dem Engländer Brown erfunden. Nachteil dieses Systems war jedoch die Verkleinerung des Bildwinkels und eine Verzerrung der verschiedenen Teilbilder, durch den ungleichmäßigen Strahlengang des Lichts (18). Für die aufgenommenen Dias wurden auch Tischbetrachter entwickelt, in welche mehrere Dias eingebaut werden konnten und durch Drehen an einem Knopf konnte man die verschiedenen Aufnahmen nacheinander betrachten. Der deutsche August Fuhrmann konstruierte Rundlaufsichtgeräte für bis zu 25 Personen, in denen spezielle Stereoserien gegen ein geringes Entgelt der Öffentlichkeit vorführte. Er begann 1880 zunächst in Breslau, Frankfurt a.M und bald auch in Berlin und nannte diese Vorführstätten stolz "Kaiser-Panorama". In den besten Zeiten hatte er bis zu acht Fotografen beschäftigt, die mit firmeneigenen Ausrüstungen den aktuellen Ereignissen in aller Welt nachjagten, um für die bis zu 250 Filialen, ständig neue Stereoserien zu liefern. Um einen möglichst "naturnahen" Eindruck beim Betrachter zu hinterlassen, wurden die schwarz-weißen Originale nach einem von Fuhrmann selbst entwickelten Rezept von Hand mit Farbe coloriert. Aktuell bedeutete damals allerdings, daß z.B. die Aufnahmen vom "Erdbeben in San Francisco" ca. ein ½ Jahr später im "Kaiser-Panorama" betrachtet werden konnten(19). Auch Serien über Graf Zeppelin und die Flüge seines Luftschiffs (z.B. Berlinflug 1909) gab es zu bestaunen. Hierbei dürfte es sich um die ältesten, heute noch erhaltenen Stereobilder von LZ-Luftschiffen handeln(20). Das Kaiser-Panorama hatte seine Blütezeit bis zum Beginn des ersten Weltkriegs und wurde dann langsam vom Film als neuem Medium verdrängt. Auch nach dem 1. Weltkrieg hatte die Stereoskopie seinen Reiz nicht verloren und Stereoaufnahmen wurden zum Beispiel als Reisesouvenier komplett mit Betrachter an Touristen verkauft. Allerdings verdrängten "Flachbildmedien" durch die einfachere Handhabung und größere Verbreitung z.B. in Illustrierten zunehmend die Stereoaufnahme. Auch die Luftschiffwerft in Friedrichshafen verkaufte solche Serien speziell über den Bau der Zeppeline im Format 6 x 13 cm. Dabei war ein wunderschöner Stereobetrachter aus Aluminium mit der Reliefaufschrift "Zeppelin" und später gab es welche, bei denen die Nummer des jeweils gezeigten Zeppelins unterhalb der Betrachtungslinsen ausgesägt war. Auf der gegenüberliegenden Seite konnten die Stereokarten eingesteckt werden. Im Technikraum im Erdgeschoss des Zeppelin Museums ist ein solcher ausgestellt und auch die Stereokarten am Ende unseres Ausstellungsbuchs sind ein Faksimiliedruck von diesen Serien. Nach dem 1. Weltkrieg wurde mit dem Neubeginn der Kameraproduktion auch neue Stereokameras entwickelt. Es gab sehr hochwertige Fotoapparate wie das bereits erwähnte "Heidoskop" von Heidecke & Franke (Rollei), aber auch einfachere Boxkameras wie die EHO-Box für nicht so anspruchsvolle oder finanzell weniger betuchte Fotografen. Die Stereofotografie war ein noch selbstverständliches Spezialgebiet in der Fotografie und so hatte z.B. die damalige Zeitschrift "Photographie für alle" auch in jedem Heft einige Seiten, welche für dieses Thema reserviert waren. Allerdings wurde dort auch damals schon bemerkt, das sich die Stereofotografie in breiten Bevölkerungsschichten nicht durchsetzen kann, was allerdings eher auf das Fehlen einer "Volksstereokamera" zurückgeführt wurde(21). Auch Leitz entwickelte zu ihrer 1925 erschienen "Leica", die den Durchbruch der Kleinbildfotografie bedeutete, schon bald einen Stereovorsatz (Prismenteiler) und ein entsprechendes Betrachtungsgerät(22). Die Pläne zu eine Stereo-Leica wurden leider nie verwirklicht und es blieb bei einem einzigen Prototyp aus dem Jahr 1933. Jedoch entwickelte man ein spezielles Doppelobjektiv, das Stereo-Elmar (später Stemar) mit einem entsprechenden Prismenvorsatz(23). Zeiss-Ikon in Jena und nach dem II. Weltkrieg die Zeiss-Ikon AG, Stuttgart zog nach und entwickelte für die Contax und später auch für ihre anderen Kameratypen ebenfalls ein eigenes Stereo-System mit Stereovorsätzen für verschiedene Entfernungen und zusätzlich Betrachtungsgeräte und Projektoren(24). Auch für die weit verbreitete Kodak-Retina gab es in den 50er Jahren einen Stereovorsatz + Betrachtungsgerät. Bei Photographica-Sammlern sind diese Zusatzgeräte heiß begehrt. Noch heute ist ein ähnlicher Vorsatz der Fa. Pentax / Japan und ein anderer russischer Bauart im entsprechenden Fachhandel erhältlich. Aber es ging noch kleiner. Der aus München stammende Tüftler Wilhelm B. Gruber entwickelte eine Scheibe im Durchmesser von knapp 10 cm auf der 7 Stereopaare im Format 10,5 x 11,7 mm Platz fanden. Dazu gab es einen speziellen Betrachter mit einem Hebel auf der Seite, mit dem man Bild für Bild weiterschalten konnte. Er tat sich 1938 mit der Fa. Sawyer’s in Portland/USA zusammen - die "View-Master" war geboren(25). Wer kennt sie nicht aus seiner Kindheit, die kleinen "magischen" Scheiben mit den verschiedensten Motiven von Landschaftsbildern, Aufnahmen der Filmsternchen oder Märchenserien, die mit Figuren nachgestellt wurden und die man mit einem entsprechenden Betrachter bewundern konnte. Vor allem in den 50er und 60er Jahren erfreuten sich diese Betrachter großer Beliebtheit und sie waren bis vor wenigen Jahren noch im Spielwarenhandel erhältlich. Aber nicht nur als Spielzeug gedacht, kam 1950 dazu ein speziell entwickelter Fotoapparat auf den Markt und man konnte sich seine eigenen View-Master-Scheiben herstellen(26). Die Kamerafabrik "Apparate- und Kamerabau Friedrichshafen" (kurz AkA) welche am Seemooser Horn ihre Produktionsstätte hatte entwickelte in den 50er Jahren eine "View-Master"-Kamera für den europäischen Markt. Durch innerbetriebliche Differenzen der beiden Geschäftsinhaber wurde die Kamera dann aber nicht mehr selber produziert, sondern die gesamte Entwicklung beim Konkurs 1960 an eine andere Firma verkauft, die diese "View-Master Stereo Color Camera" dann aber in einer respektablen Stückzahl herstellte(27). Nachteil des "View-Master-Systems" für den ersthaften Fotografen blieb allerdings immer, daß keine Möglichkeit angeboten wurde, auch Duplikate oder Papierabzüge seiner Aufnahmen anzufertigen. Als weiteres etablierte sich nach dem 2. Weltkrieg durch die von Seton Rochwite (USA) entwickelte "Stereo Realist" das Aufnahmeformat 24 x 23 mm auf KB-Film für Stereoaufnahmen(28). Es ermöglichte, die Aufnahmeobjektive ca. im Augenabstand anzubringen und beim Filmtransport findet immer ein Bild des darauffolgenden Stereopaars Platz zwischen dem vorherigen. Das Bodenseewerk in Überlingen entwickelte im Jahr 1954 eine solche Kamera für die Three Dimension Company in Chicago/USA. Es gab sie in zwei verschiedenen Versionen als Stereo Colorist I und II ohne und mit eingebautem Entfernungsmesser. Sie wurde vor allem in den Vereinigten Staaten bis 1960 erfolgreich verkauft(29). Auch hierzu gab es natürlich die entsprechenden Stereo-Betrachter. Allerdings geht es eventuell auch einfacher. Die meisten Menschen können mit einiger Übung ihre Augen so trainieren, daß sie sich nicht auf einen Punkt fixieren, sondern gleichzeitig zwei verschiedene Bilder anschauen und somit Stereobilder auch ohne Stereoskop betrachten. Dazu muß allerdings das Bildformat so klein sein, daß die entsprechenden Bildpunkte auf den verschiedenen Aufnahmen nicht weiter wie der Augenabstand auseinander liegen. Man muß dann zuerst durch daß Bild hindurch in die Ferne schauen (Bild wird unschaft) und wenn die Augen in beiden Teilbildern die sich entsprechenden Bildpunkte gefunden haben, müssen die Augen auf das Bild scharf stellen, ohne jedoch den Blickwinkel zu verändern. Dies ist jedoch erst nach einiger Übung möglich, da mit dem Scharfstellen automatisch sich beide Augen normalerweise wieder auf einen Punkt fixieren. Auf dieser Sehweise basierend wurde Ende der 80er Jahr ein Verfahren entwickelt, mit dem Computer in verworrene Muster dreidimensionale Strukturen einzuarbeiten. Betrachtet man diese Bilder mit dem sogenannten "Magischen Blick", so erkennt man dreidimensionale Körper, die aus dem Bild herauszuragen scheinen. Es gab aber auch schon sehr früh verschiedene Forscher, die darüber nachdachten, wie es möglich ist, Stereoaufnahmen einer größeren Anzahl von Betrachtern zugänglich zu machen. Das Problem der Raumbildprojektion ist, daß die Stereobilder, wenn sie mit einem Projektor nebeneinander auf eine Fläche projeziert werden, vom Menschen nicht gleichzeitig betrachtet werden können, da ein auseinanderdivergieren der Sehachsen für den Menschen nicht möglich ist. Ein erster Ansatz war, durch Prismenbrillen dem Betrachter zu ermöglichen, neben- oder übereinanderprojezierte oder gedruckte Bilder zu Betrachten (z.B. KMQ-Verfahren). Nachteil dieses Verfahrens war und ist jedoch, daß der Betrachter seinen Kopf in einer ganz bestimmten Position halten muß, ansonsten wird es unmöglich, die beiden Teilbilder gleichzeitig zu betrachten(30). Für ein natürliches Sehen, müssen jedoch beide Teilbilder aufeinander projiziert und durch ein technisches Verfahren wieder getrennt werden damit jedes Auge nur ein Teilbild sehen kann. Als erstes eignet sich hierfür das Anaglypen-Verfahren. Es wurde vom Naturwissenschaftler Wilhelm Rollmann bereits 1853 entwickelt.. Hierbei wird jedes Teilbild jeweils mit einer Komplementärfarbe die im Farbkreis gegenüber liegt projeziert oder gedruckt, heute meist grün (links) - rot (rechts)(31). Wenn man nun eine Brille aufsetzt, bei der das linke Glas rot und das rechte grün eingefärbt ist, so sieht man mit dem linken Auge nur das grüne-linke Bild, weil das rechte-rote durch das roten Brillenglas verschwindet. Gleich verhält es sich mit dem rechten Bild. Das grüne Brillenglas absorbiert das grüne Bild der linken Seite. Vorteil dieses Verfahrens ist, daß der Betrachtungsabstand zum Bild beliebig ist und auch keine komplizierte Vorrichtung mit Linsen notwendig ist, sondern nur eine rot-grün Brille. Es können allerdings nur bedingt Farbaufnahmen dargestellt werden. Bei Vorlagen, die aber ursprünglich schon in Schwarz-Weiß aufgenommen wurden, war dies unerheblich. Eine weitere Idee war, wie bei einem Film immer abwechselnd das rechte und linke Teilbild zu projizieren und dem Betrachter eine Brille aufzusetzen, bei der durch einen Verschlußmechanismus abwechselnd nur das entsprechende Bild zu sehen ist(32). Diese Klappbrillen müssen aber genau mit dem Vorführapparat synchronisiert werden, was sich als recht schwierig erwies und das "Klappern" der Brillen wurde von den Zuschauern als sehr störend empfunden. Auch spätere Verfahren, bei denen die Hell/Dunkel-Umschaltung auf anderen Wegen funktionierte, blieben immer Umständlich durch die Synchronisation von Bild und Brille und dafür notwendige Technik. Der Ansatz, nach dem heute noch die meisten Raumbild-Stereovorführungen dargeboten werden, ist das schon 1891 von Anderson beschriebene Verfahren der Trennung der Teilbilder auf optischem Weg durch Polarisationsfilter(33). Normalerweise schwingen die Lichtteilchen in alle Richtungen, die rechtwinklig zum Lichtstrahl liegen. Der Polarisationsfilter wirkt wie ein Zaun, der nur noch Lichtwellen in einer Schwingungsrichtung durchlässt und die anderen "verschluckt". Wird ein zweiter Polarisationsfilter im Winkel von 90° nach dem ersten angebracht, so wird dadurch das Licht, das nur noch in eine Richtung schwingt, komplett verdunkelt. Diese Eigenschaft macht man sich zunutze, damit bei der Stereoprojektion jedes Auge nur eines der beiden Teilbilder sieht. Vor dem Projektor mit dem linken Teilbild befestigt man einen Polarisationsfilter. Um das Bild für das rechte Auge unsichtbar machen, braucht man einen zweiten Polarisationsfilter, der um den Winkel von 90° verdrecht wurde. Dieser wird praktischerweise meist in einer Brille in der richtigen Stellung eingefaßt. Entsprechend verfährt man mit dem rechten Teilbild. Hier hat der Polarisationsfilter des Projektors die gleiche Stellung wie der Polarisationsfilter für das rechten Auge und der des linken Auges ist um 90° verdreht, entsprechend zum linken Projektor. Somit sieht jedes Auge nur das jeweilige Teilbild. Der heutige Standart für die Anordnung der Polarisationsfilter ist V-förmig. Eine weitere Bedingung ist, daß die Richtung der Lichtschwingungen durch die Projektionsleinwand, von der sie reflektiert werden, nicht wieder aufgehoben werden. Aus diesem Grund sind die handelsüblichen Lichtbildwände meist ungeeignet und man benötigt eine spezielle Silbertuchleinwand oder eine andere metallische Reflektionsfläche. Im vorigen Jahrhundert war die Herstellung der Polarisationsfilter in entsprechenden Größen technisch noch nicht durchführbar. Erst in den 30er Jahren unseres Jahrhunderts wurden Verfahren entwickelt, welche die Produktion auch größerer Polarisationsfilter in erforderlichen Mengen zu einem akzeptablen Preis ermöglichten. Vorteil dieser Methode ist, daß auch die Projektion von Farbbildern möglich ist und diese einer größeren Anzahl von Betrachtern, welche mit entsprechenden Polarisationsbrillen ausgestattet sind, vorgeführt werden können. Auch auf den Film wurde dieses Verfahren übertragen und am 5. Dezember 1937 führte der Filmproduzent Fritz Boehner im Berliner Ufapalast den ersten plastischen Film mit dem bezeichnenden Titel: "Zum Greifen nah" vor(34). Heute wird dieses Verfahren in verschiedenen IMAX-3-D-Kinos als große Sensation angepriesen und verblüfft noch immer die Zuschauer(35). Auch die Projektion der Stereoaufnahmen von den verschiedenen Luftschiffen in unserer Ausstellung liegt das Polarisationsverfahren zugrunde, wobei wir allerdings anstatt der Stereobrillen "Gucklöcher" in den "Bauzaun" gebohrt haben, hinter dem die Polarisationsfilter in entsprechender Position angebracht sind. Ein weiteres Verfahren, an dem verschiedene Forscher schon bereits seit 1896 gearbeitet haben, ist das Linsenrasterverfahren. Hierbei wird hinter ein Streifenraster, das wie eine Linse eine halbrunde Form aufweist, die verschiedenen Teilbilder als dünne Streifen projeziert oder gedruckt. Das Auge sieht dann je nach Betrachtungswinkel immer nur einen Streifen, wodurch ein stereoskopisches Sehen möglich wird(36). Dieses Verfahren hat zwar den großen Vorteil, daß die Bildbetrachtung ohne zusätzlich Hilfmittel möglich ist und auch Farbbilder angeschaut werden können, jedoch ist dieses Verfahren technisch sehr aufwendig. Wie ist der heutige Stand der Stereofotografie? - Durch den etwas höheren technischen Aufwand ist die Stereofotografie heute fast in Vergessenheit geraten. Die einzige, heute noch in Serie hergestellte Stereokamera ist ukrainischer Produktion und entspricht nicht mehr dem Standart heutiger Fotoapparate. Ansonsten muß man auf historische Stereokameras zurückgreifen oder es gibt Spezialwerkstätten, die normale Monokameras zu Stereokameras umbauen(37). Ein solcher Umbau bei sehr geringen Stückzahlen kann natürlich nur in Handarbeit von entsprechenden Spezialisten erfolgen und darum sind solche Kameras ziemlich teuer. In Deutschland gibt es ca. 600 "Stereoskopiker", die im Verein für Stereoskopie(38) zusammengeschlossen sind und die man als einen "verschworenen Haufen" bezeichnen kann, in dem fast jeder jeden kennt. 1980 gab es durch den Amerikaner Dr. Jerry Nims und den Vietnamesen Allen Kowk Wah Lo einen neuen Ansatz im Linsenrasterverfahren. Das Verfahren nannte sich Nimslo und es wurden gleichzeitig 4 verschiedene Bilder nebeneinander auf einem Negativfilm aufgenommen. Diese wurden dann in einem speziellen Laborgerät auf ein Papierbild mit Linsenraster von 0,12 mm breiten Mikrorillen übertragen. Der Betrachter sieht durch das Linsenraster mit jedem Auge jeweils den Streifen eines anderen Teilbilds und bekommt somit einen dreidimensionalen Eindruck. Vor kurzem wurde eine Neuauflage dieses Systems mit einer 3-Linsen-Kamera mit dem Namen Image Tech 3D-Magic versucht(39). Bilder, bei denen das Objekt in einem Abstand von 2 - 4 Meter aufgenommen wurde und die evtl. eine Staffelung nach hinten haben, sind recht eindrucksvoll, ansonsten ist das System sehr schnell überfordert. Durch die erforderlich Speziallabors und die hohen Kosten eines einzelnen Bildes, konnte sich dieses Verfahren bis heute nicht durchsetzen. Die Holografie als technisches Mittel, Gegenstände dreidimensional darzustellen, hat in den vergangenen Jahren einen großen Aufschwung erlebt, nicht nur als Bild, das man an die Wand hängen kann, sondern auch als Sicherheitsmerkmal auf Scheckkarten und Geldscheinen. Bei der Holografie wird ein Laserstrahl, der eine völlig gleichmäßige Frequenz (Lichtwelle) ausstrahlt durch einen teildurchlässigen Spiegel geteilt. Die erste Welle belichtet direkt auf die Fotoplatte, die zweite trifft auf das abzubildende Objekt und wird von diesem auf die Fotoplatte reflektiert. Wenn sich hierbei zwei Lichtwellenzüge überlagern, treten Interferenzen (40) auf. Die Helligkeitsverteilung des resultierenden Interferenzmusters ist charakteristisch für Form und Oberfläche des Objekts und wird auf der Fotoplatte festgehalten. Vergleichbar mit dem Muster von sich brechenden Wellen, wenn z. B. ein Stein oder Stock als Hindernis aus dem Wasser ragt. Durch das Licht, daß sich in der eingegrabenen Struktur der Fotoplatte wiederspiegelt, wird das holografierte Objekt wieder sichtbar. Erfunden hat die Holografie der Dennis Gabor (1900-1979), der als Ingenieur bei der Thomas-Houston-Company in Rugby, England 1948 sein erstes Hologramm produzierte und 1979 dafür den Nobelpreis bekam(41). Nachteil von Hologrammen ist, daß nur tote Gegenstände abgebildet werden können, und Aufnahmen in der freien Natur nicht möglich sind. Auch im Fernsehen wurde versucht, Filme 3- Dimensional darzustellen. In den 80er Jahren gab es einen Krimi im Anaglyphenverfahren. Durch die Anaglyphenbrille wurde jedoch sehr viel Licht verschluckt und der Sehgenuß war eher mäßig. Auch konnte durch die versetzen verschiedenfarbigen Teilbilder der Film nur mit einer entsprechenden Anaglyphenbrille, die den verschiedenen Fernsehzeitschriften beilag, betrachtet werden. Im Herbst 1998 veranstaltete der Privatsender ProSieben eine "3-D-Woche". Es wurden verschiedene Tierfilme des Münchner Produzenten Thomas Hohenacker gezeigt, in denen Teilsequenzen in einem 3-D-Verfahren ausgestrahlt wurden. Der Betrachter bekommt eine Brille, bei der das rechte Auge mit einem Filter abgedunkelt wird. Das führt zu einer verzögerten Wahrnehmung von ca. 1/50 Sec. zum anderen Auge. Bei Linksschwenks der Kamera im richtigen Tempo entsteht für das Auge ein dreidimensionales Bild. Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß auch Betrachter ohne 3-D Brille den Film anschauen können. Allerdings kann natürlich kein Film nur aus Linksschwenks bestehen, darum waren immer nur einzelne Sequenzen für die dreidimensionale Betrachtung geeignet. Eigentlich ist das Verfahren recht einfach und sogar für die eigenen Videoaufnahmen anwendbar und trotzdem für den Betrachter recht eindrucksvoll(42). Aber auch im Computerbereich gibt es Forschungen bei denen das Schlagwort 3-D nicht nur die Verdeutlichung einer Tiefendimension mit graphischen Mitteln meint, sondern bei denen der Benutzer im Bildschirm ein wirkliches dreidimensionales Bild sieht. Am bekanntesten dürfte wohl die Cyperhelme sein, bei denen man vor dem linken und rechten Auge je einen eigenen kleinen Monitor mit dem entsprechenden Teilbild hat. Außer diesen, nimmt der Betrachter allerdings nichts von seiner Umwelt war. Ein weiteres Ziel ist es allerdings, auch am Monitor 3-dimensionale Bilder darzustellen. Hierzu wird vor einem LC-Display ein Linsenraster befestigt der die Lichtstrahlen trennt. Nachteil ist allerdings, daß bei nur 2 Teilbildern der Benutzer den Monitor von exakt einem Punkt aus betrachten muß. Lösungsansätze sind, z. B. durch einen Laser die Kopf- und Augenposition des Benutzers zu kontrollieren und der Monitor wird auf einem Roboterarm entsprechend korrigiert. Eine andere, vermutlich zukunftsträchtigere Lösung dürfte sein, durch eine höhere Anzahl von Teilbildern, die Betrachtung von verschiedenen Positionen möglich zu machen. Allerdings sind hier noch sehr hochauflösende Spezialmonitore erforderlich und auch das Bildmaterial muß natürlich in der entsprechenden Anzahl von Teilbildern vorhanden sein, was wiederum spezielle Aufnahmegeräte erfordert. Nutznießer dürften vermutlich jedoch vorerst eher wissenschaftlich Benutzer sein. Was es allerdings auch schon für den privaten Anwender gibt, sind sogenannte Shutter-Brillen, um bei extra dafür programmierten Spielen die "Monster" in ihrer ganzen Ausdehnung erleben zu können. Eingebaute Polfilter verdunkeln in Abstimmung zur Grafikkarte abwechselnd je ein Auge und am Monitor erscheint immer das jeweilige Bild(43) Als letztes möchte ich nur noch kurz auf verschiedene Bereiche der Wissenschaft eingehen, in denen Stereofotografie eine Rolle spielt oder spielte. Eigentlich allen Bereiche, bei denen eine zusätzliche Darstellung der Raumtiefe auch ein mehr an Information bedeutet, ist die Anwendung der Stereofotografie interessant. Allerdings wird sie aufgrund des höheren technischen Aufwands und der Schwierigkeit, stereoskopische Aufnahmen auszuwerten, wenn genaue meßbare Bezugspunkte fehlen, nur noch selten angewandt. Auch ist sie in vielen Bereichen durch andere Verfahren abgelöst worden, die ebenfalls eine dreidimensionale Darstellung erlauben, wie z. B. die Computertomographie. Man muß bei der wissenschaftlichen Anwendung der Stereofotografie zwischen mehreren Entfernungsbereichen unterscheiden: Als erstes gab und gibt es die Stereomikroskopie mit einer entsprechenden fotografischen Einrichtung. Unter Umständen lassen sich auch durch die Verschiebung des Objekts stereoskopische Aufnahmen erstellen. Beim Elektronenmikroskop können die dreidimensionalen Aufnahmen sogar noch raumrichtig vermessen werden(44). Kristalle, Kleinstlebewesen und andere Gegenstände im Mikrobereich mit einer dreidimensionalen Ausdehnung lassen sich eventuell so wesentlich deutlicher darstellen. Als nächster Bereich ist eine Normalzone anzusehen, in der auch der Mensch Gegenstände und Dinge mit seinem normalen Sehvermögen dreidimensional wahrnehmen kann. Der Kunsthistoriker kann z.B. durch die Stereofotografie Plasiken und Reliefen oder ähnliches dreidimensional aufnehmen. Bei Architekturaufnahmen kann der Raum oder das Gebäude selber in seiner Ausdehnung dargestellt werden. In der Archäologie, der Geologie und der Medizin kann eine Tiefenerfassung durch stereoskopische Aufnahmen dem Betrachter wesentlich erleichter, die räumliche Gestalt, Anordnung und Lage der Dinge zu erkennen(45). Zum Beispiel wurde die Stereophotographie bereits vor dem ersten Weltkrieg in der Röntgentechnik benutzt(46). Selbst für Kriminalbeamte wäre eine dreidimensionale Darstellung des Unfall- oder Tatorts oft von Vorteil. Bei technischen Aufnahmen von Maschinen und Apparaten oder im Bereich der Physik und Chemie bei Schwingungs-, Mollekül- oder anderen Modellen ist die plastische Darstellung für den Betrachter sicherlich sehr hilfreich zum Erfassen auch von schwierigen Zusammenhängen. Es gibt sicherlich nach viele andere Bereiche, wie z.B. der Unterricht, wo die 3-Dimensionale Darstellung einen wesentlich realistischen Eindruck vermitteln kann (47). Als letzte Bereich ist die Fernzone (ca. ab 50m) aufzuführen. Durch eine Verbreiterung der Stereobasis (Abstand zwischen den Aufnahmeobjektiven) sind dreidimensionale Darstellungen möglich, wie sie unser menschliches Auge gar nicht mehr wahrnehmen kann. Ein wichtiger Bereich war und ist die Auswertung von Luftaufnahmen (Photogrammetrie). Werden z.B. aus einem Flugzeug in kurzem Abstand Serienbilder hergestellt, so haben wir wie bei der Stereophotographie Bilder, die sich überlappen und in einem bestimmten Abstand voneinander aufgenommen wurden. Speziell die Fa. Carl Zeiss, aber auch andere haben Geräte für die Kartographie hergestellt, die diese Luftaufnahmen stereoskopisch auszuwerten und in Landkarten mit den entsprechenden Höhenlinien umarbeiten können. Heute wir die Erdoberfläche jedoch meist von Satelliten erfaßt, wobei es auch hier Bemühungen gibt, diese Bilder zur Verbesserung der Bildinterpretation stereoskopisch auszuwerten(48). Es ist zu vermuten, daß auch beim Arktisflug der "Graf Zeppelin" die überflogene Landschaft teilweise durch Stereobilder erfaßt wurde, da der wissenschaftl. Leiter Prof. Samoilowitsch in einem Bericht speziell topografische Aufnahmen bestimmter Gebiete erwähnt(49). Ob dies auch bei anderen Fahrten geschah, entzieht sich meiner Erkenntnis. In verschiedenen Kriegen wurden Stereo-Luftbildaufnahmen verwendet, um versteckte Bunkeranlagen ausfindig zu machen, die vom Feind farblich an die Landschaft angepaßt wurde, jedoch anhand ihrer Aufbauten stereoskopisch entdeckt werden konnten(50). Aber auch umgekehrt, wurde der Himmelsraum von der Erde aus stereoskopisch beobachtet. Vor allem in der Wolkenforschung waren Stereobilder wertvoll, um Größe und Ausdehnung zu erfassen und Rückschlüsse auf die sich in der Atmosphäre abspielenden Vorgänge zu ziehen. Auch hier wurde der Abstand zwischen den beiden Aufnahmegeräten wieder wesentlich vergrößert (bis zu 35 km) um eine bessere, meßbare stereoskopische Wirkung zu erzielen. Inzwischen kann jedoch die Atmosphäre auch von Satelitten aus stereoskopisch beobachtet werden, wobei besonders 3-D Simulationen die Analyse des Wolkengeschehens ganz wesentlich erleichtern. Aber auch andere meteoroligische Phänomene, wie z.B. Blitze und Polarlichter wurden stereoskopisch analysiert(51). Vielleicht können Sie nach dem Lesen dieses Berichts meiner Ansicht zustimmen, daß die Stereofotografie leider ein viel zu vernachlässigtes Kind der heutigen Fotografie ist und für den einen oder anderen begeisterten Fotoamateur, aber auch für die Wissenschaft könnte dieser Spezialbereich sicherlich weitere Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Dabei ist es eigentlich gar nicht schwierig. Es reicht schon 1 Fotoapparat ......(52) - die ersten Stereofotografen haben auch so angefangen. Fußnoten: 1. Breite und Höhe = Flachbild.
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