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Stereophotographie
- Infos zu den Zeppelin - 3D-Bildern
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Die Stereo-Colorist und ihre Geschichte Eine typische Stereokamera der 50er Jahre im Realist-Format 23 x 24 mm, die man doch hin und wieder auf Börsen oder Auktionen findet, ist die Stereo-Colorist I. Dem einen oder anderen Sammler ist vielleicht noch bekannt, daß die Herstellungsfirma das Bodenseewerk in Überlingen war und die Kamera vorwiegend für den US-Export hergestellt wurde. Da ich am Bodensee wohne und "heimische" Kameras doch einen besonderen Reiz auf den Sammler ausüben, habe ich genau mit diesem wenigen Wissen vor einigen Jahren eine solche auf einer Fotobörse erstanden. Der erste Aha-Effekt kam, als ich einen Film einlegte, von meinem damals ca. 2-jährigem Sohn einige Bilder in der Sandkiste machte und diese dann in einem Stereobetrachter anschaute. Die Aufnahmen hatten wirklich eine ganz neue Dimension (3.) - seitdem hat mich der Stereo-Virus angesteckt. Als zweites dachte ich, wenn ich schon in der Nähe von Überlingen wohne, müßte sich doch noch mehr über diese Firma erfahren lassen. Ich recherchierte und nach einigen Telefonaten traf ich mich dann eines Abends im Spätsommer 1998 mit Herrn Ringhardtz, einem älteren, freundlichen Herrn am Werkstor der Bodenseewerk Perkin-Elmer GmbH, um mit ihm das Betriebsmuseum anzuschauen. Und hier kam der 2. Aha-Effekt, als ich Begriff, was für eine innovative Firma mit verschiedensten Entwicklungen ich hier kennenlernen durfte und wie viele Querverbindungen zur traditionellen Fotografie bestehen. Hier möchte ich nun einen Sprung zu den Anfängen machen. 1862 tritt ein Carl Bamberg, der in einem kleinen thüringischen
Ort als Sohn eines Textilarbeiters das Licht der Welt erblickte, beim
Optiker- und Mathematikermeister Carl Zeiss in Jena ein. Der Lehrlingsvertrag
sieht vor, wöchentlich 60 Stunden zu arbeiten. Darüber hinaus
legt Zeiss Wert darauf, daß die Lehrlinge freiwillig Sonntag Vormittag
in seine Zeichenstunde kommen. Zwei Stunden in der Woche werden den Lehrlingen
freigestellt, um sich mathematischen Unterricht geben zu lassen. So erhält
Bamberg als 17-jähriger Unterricht von Ernst Abbe über die Gesetze
der Optik. Abbes Einfluß verhilft Bamberg auch, sich als Student
in der Universität Jena eintragen zu lassen. 1869 wechselt er zur
Universität nach Berlin und finanziert dort sein Studium durch Erteilen
von Nachhilfeunterricht und der Arbeit als Gehilfe bei einem Mathematiker.
1871 macht sich Bamberg mit einer kleinen Werkstatt, 2 Gehilfen und einer
Drehbank selbständig. Er erhält Aufträge von der Admiralität,
der Berliner Sternwarte und den Universitätsinstituten. Bald schon
mußte er die Werkstatt vergrößern und neues Personal
einstellen. Wenn Mechanikergehilfen damals ein Gerät fertiggestellt
hatten, setzten sie sich einen Zylinder auf und ließen das Gerät
vom Chef abnehmen, der dann einen Kasten Bier stiften mußte. Die
"Urania" bestellt 1887 ein Großteleskop mit 30 cm Öffnungsdurchmesser.
Das war der Anlaß, im Berliner Vorort Friedenau ein großes
Grundstück zu erwerben. Die dort gebaute Werkstatt bot Platz für
100 Gehilfen. Das Lieferprogramm in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
war: · für die Marine: Kompasse, Entfernungsmesser, Zeitbälle, Stabilisatoren für Geschütze · für das Vermessungsamt: Theodolite, Planimeter, Stative · für Sternwarten und Universitäten: allerlei physikalische Meßgeräte Das Rechnungswesen sah sehr einfach aus: Man wußte, wieviel Arbeitszeit
das einzelne Gerät erforderte. Der aufgewandte Arbeitslohn wurde
bei einfachen Geräten, um den Preis zu bestimmen, mit dem Faktor
zwei multipliziert; bei schwierigen Geräten mit dem Faktor 3 und
sodann nach oben abgerundet. Der Arbeitslohn betrug zur damaligen Zeit
4 Groschen je Stunde. Bambergs Umsatz lag zwischen 75.000 und 100.000
Talern im Jahr, mit einem Reingewinn von 15 bis 20% - einem Reingewinn,
der übrigblieb, nachdem, wie es in Meisterbetrieben üblich war,
die Familie aus der Kasse gelebt hatte und nachdem die Steuern bezahlt
waren (damals rund 8%). 1892 starb Carl Bamberg im Alter von 45 Jahren.
Frau Bamberg und später auch Bambergs Sohn Paul, der im Todesjahr
noch minderjährig war, übernahmen die Leitung des feinmechanischen
Betriebes. 1912 stieß Max Roux, 25 Jahre alt, ein Vetter von Paul
Bamberg zum Werk. Roux heiratete die Tochter von Carl Bamberg, und wurde
Chef der Firma, der er bis zum Zusammenbruch 1945 blieb. Das Produktionsprogramm 1914 war: U-Boot-Kompasse, Entfernungsmesser, Visiereinrichtungen, Druckmesser mit Fernübertragung für Fesselballone, Kinoaufnahmegeräte, geophysikalische Geräte. Aus 65 Gehilfen wurden in 4 Kriegsjahren 750 Arbeiter. Mit den Umsatzgewinnen wurden in Berlin-Friedenau Ziegelbauten in drei Etagen für Werkstätten und Konstruktionsbüros geschaffen. 1919 und 1920 wäre das Werk zum Erliegen gekommen, wenn nicht die Marine weiterhin alle Aufträge, die sie bis zum Kriegsende erteilt hatte, bezahlte. 1921 wurde die Askania AG Friedenau und Dessau gegründet durch die Fusion der Zentralwerkstatt für Gasgeräte GmbH, Dessau, mit dem Carl-Bamberg-Werk. 1939 bis Kriegsausbruch bestanden die Askania-Werke aus 3 großen Berliner Fabriken: · Friedenau: Bau von wissenschaftlichen Geräten, Einzeloptik, Entwicklungslabors, Hauptverwaltung. Hier wurden die optische Prüfgeräte hergestellt mit der man eventuell die Optiken ihrer fotografischen Schmuckstücke aus der Zeit zwischen den Weltkriegen geprüft hat. · Steglitz: Reglerfabrik · Mariendorf: Luftfahrtgeräte, Reihenoptik, Kreiselgeräte, Sonderbau für die Marine. Selbst in Amerika (Houston + Chicago) und Japan hatte die Firma Vertretungen. Nachdem während des Krieges außerhalb Berlins etliche Zweigwerke
entstanden, wurden noch im Februar und März 1945 fünf kleinere
Trupps mit ca. 30-50 Maschinen und weniger als 100 Mann in den Westen
in weniger kriegsgefährdete Gebiete entsandt, darunter der kleine
Trupp unter Oberingenieur Wilde nach Konstanz. Dort in der schützenden
Nähe der Schweizer Grenze sollte die Gruppe einen Torpedogleiter
zur Serienreife bringen, der, mit hölzernen Tragflächen versehen,
aus einem Flugzeug aus ca. 4000 Meter Höhe in Richtung Schiffsziel
abgeworfen werden konnte. Nach dem Einmarsch der französischen Armee
in Konstanz im Mai 1945 mußten die Entwicklungsarbeiten weiter fortgesetzt
werden. 1946 veranlaßt durch Kontrollratsbeschluß, keine Rüstungsfertigung
in Deutschland weiterhin zu betreiben, Um in der schwierigen Nachkriegszeit zu überleben, hat man mit dem vorhandenen "Know-how" die verschiedensten Dinge entwickelt und gebaut, für die eine Verkaufschance gesehen wurde: Schraubstock, Marschkompasse, Kugelschreiber, Bleistiftspitzer, Tonbandgeräte, Brillen, ein Gerät zur Flugbahnbestimmung von Raketen und Entfernungsmesser. Nachdem bereits Anfang des Jahrhunderts bei den Askania-Werken Entfernungsmesser gebaut wurden, besann man sich hier wohl auf alte Erfahrungen. 1949 wurde die Firma in eine GmbH umgewandelt, um eigene Bankkredite und Marshallplangelder erhalten zu können. Über die Entwicklung des ersten Entfernungsmessers kann ich keine genauen Angaben machen, da firmeninterne Unterlagen aus dieser Zeit bisher nicht aufgetaucht sind. Im Photo-Magazin ab Heft 1/51 erscheinen jedoch Anzeigen für den "Askania-Entfernungsmesser" mit Einstellrad und Tiefenschärfeskala auf der Oberseite. Nach dem mir vorliegenden Warenausgangsbuch, das allerdings erst mit dem Juni 1953 beginnt, wurde dieses Modell bis Juni 1954 gebaut. Die Stückzahl läßt sich nicht genau ermitteln. In einem weiteren Buch mit der Auflistung der Aufträge (ab 1951), sind zum ersten Modell keine Angaben vorhanden.
Speziell für die Fa. Rimmer & Co in Hamburg wurde ein eigener Entfernungsmesser mit der Bezeichnung "Rimex" produziert, von der Konstruktion ähnlich dem "Askania 33". Laut Auftragsbuch waren es ca. 20.000 die bestellt wurden. Lt. Warenausgangsbuch wurden aber von November 1953 bis Mai 1955 nur ca. 11.000 ausgeliefert. Ein Großteil davon (ca. 2/3) war offensichtlich für den Export bestimmt und wurde mit einer feet-Skala versehen. Neben diesen vielleicht manchen Sammlern noch geläufigen Modellen gab es dann noch eine weitere Entwicklung, die aber eine absolute Rarität sein dürfte. Ähnlich dem Voigtländer Entfernungsmesser wurden die Ecken abgerundet. Zwischen August 1955 bis Juli 1956 wurden davon ca 4.300 mit der Bezeichnung "Bodan" ausgeliefert und eine kleine Charge von insgesamt 636 Stück ging mit dem Namen "Optina" an Eaton Co. Ltd in verschiedenen Städten in Kanada (Quebec, Toronto, Montreal, Manitoba). Hier klingeln bei eine AkA-Sammler natürlich sofort die Alarmglocken. Gibt es doch von verschiedenen Arette Kameras, welche ebenfalls die Bezeichnung "Optina" trugen und bei denen ehemalige AkA-Mitarbeiter bisher nicht mehr sagen konnten, als daß es sich um Export-Kameras handelte. Vermutlich waren diese Kameras auch für Kanada bestimmt. Vielleicht gibt es auch den einen oder anderen Leser, der noch mehr Informationen zu der Fa. oder Vertriebskette "Eaton Co. Ltd"/Kanada weitergeben kann. Von Juni 1953 bis Juli 1956 wurden pro Monat im Durchschnitt 1550 Entfernungsmesser gebaut und über längere Zeit war dies wohl auch eine der Haupteinnahmequellen der Bodenseewerke in Überlingen. Ebenfalls wurde beim Bodenseewerks ein Einbau-Entfernungsmessers im Jahr 1952 entwickelt. Einziger Abnehmer blieb aber wohl die Fa. Neidig / Mundelsheim, welche diesen in die Perlux II einbaute. Lt. Auftragsbuch wurden 1953 5.000 Stück ausgliefert und im August 1955 gingen nochmals 1.000 Stück (600feet/400Meter) an Dejur, Internationale Ges. Schwetzingen. Die DeJur-Kameras waren Baugleich mit den Perlux und wurden von der DEJUR-AMSCO CORP. (New York) in Amerika vertrieben. Wenn man von der Anzahl der Entfernungsmesser ausgeht, wurden von der DeJur D3, die der Perlux II entsprach nur 1.000 Stück gebaut. Sicher ein interessantes und bisher unterbewertetes Sammlerstück. Es wurden auch an verschiedene Kamerahersteller (Diax/Schacht/Wirgin) Einbau-Entfernungsmesser als Muster versandt und zur Photokina 1954 2 Stück mitgenommen. Es gab aber wohl keinen weiteren Aufträge.
Hier möchte ich noch einmal einige Jahre zurückblenden, um die Lebensgeschichte und das Umfeld von Herrn Dipl. Ing. Albert Goldhammer zu beleuchten: Nach dem I. Weltkrieg zwangen wirtschaftliche Schwierigkeiten das renommierte Kamerawerk A. H. Rietzschel zu einer Fusion mit der chem. Fa. Bayer, die u.a. Filme und Fotopapiere produzierte. Der Vater von obigem Herrn Albert Goldhammer, Herr Leo Goldhammer hatte sich bei Contessa-Nettel zum Fachmann im Kamerabau hochgearbeitet. Er wurde vom neuen kaufmännischen Leiter, Herrn Bruno Uhl zu Bayer/Ritzschel geholt und zum Leiter der Konstruktion bestellt. 1925 schloß sich Bayer mit Agfa zur "I.G. Farbenindustrie AG" zusammen und die Kameraproduktion ging an Agfa. Am Anfang wurden die von Rietzschel konstruierten Kameras noch weitergebaut, aber zunehmend erschien auch das Agfa-Logo auf den Kameras und eigene Konstruktionen gingen in Serie. Die 1928 neu erschienenen Billy-Kameras für Rollfilme wurden zu einem riesigen Verkaufsschlager und der ebenfalls von Herrn Goldhammer konstruierte Schnappverschluß der Billy III (1932), wurde mir bei meinem Besuch in Überlingen von Herrn Albert Goldhammer voller Stolz vorgeführt. Beim Öffnen springt die Objektivstandarte sofort in gebrauchsfertige Stellung, ohne daß man durch Herunterdrücken des Standartenbodens nachhelfen muß. Herr Albert Goldhammer erinnert sich auch noch, wie an einem Biergarten in München die Idee zur AGFA-Box geboren und von seinem Vater konstruiert wurde, welche dann für 4 Markstücke mit den Prägebuchstaben "A, G, F und A" zu bekommen war und sich zu einem absoluten Verkaufsschlager entwickelte. Unter der Leitung von Herrn Leo Goldhammer wurden alle Agfa-Kameras konstruiert, die vor dem II. Weltkrieg gebaut worden sind. Herr Albert Goldhammer erzählte auch, daß im Arbeitszimmer seines Vaters eine große Vitrine mit vielen verschiedenen Prototypen stand. So wurden damals bei Agfa schon Kameras mit eingebautem Belichtungsmesser oder gekoppelter Blendensteuerung konstruiert. Sein Vater aber sagte einmal sinngemäß zu ihm: "Nicht alles, was möglich ist, wird gebaut, sondern der Markt bestimmt, was produziert wird." Und Agfa war am Markt gut plaziert, wie man heute sagen würde - sehr viele Menschen damals fotografierten mit Agfa-Kameras. Nach dem II. Weltkrieg war Herr Leo Goldhammer maßgeblich am Wiederaufbau des Agfa-Kamerawerks beteiligt und 1948 im Jahr der Währungsreform und des allgemeinen Aufbruchs bis 1950 setzten die amerikanischen Behörden Herrn Goldhammer als Treuhänder für den technischen Bereich ein. In dieser Zeit erschien die Neukonstruktion der Karat mit dem eingebauten Entfernungsmesser (damals und auch heute bei Sammlern begehrt) und die Agfa-Box 50, welche in den 50er Jahren aufgrund des hervorragenden Preis-Leistungsverhältnises und der einfachen Bedienung in vielen Haushalten zu finden war. Nun muß ich nochmals einen Sprung zurück machen. Sein Sohn
Albert, geboren am Anfang des I. Weltkriegs, absolvierte in der Agfa-Kameraentwicklungsabteilung
eine Feinmechanikerlehre und durfte aufgrund seiner vorzüglichen
Leistungen schon nach 1 Jahr das Gesellenstück machen. Anschließend
mit Genehmigung des Gauleiters von Bayern Maschinenbau in München
studieren. Nach Abschluß wurde er am Lehrstuhl für Metallurgie
angenommen aber gleichzeitig kam der Einzugsbefehl in den II. Weltkrieg.
Bei seiner Grundausbildung lernte er Rolf Rodenstock kennen. Der Name
Rodenstock ist uns Sammlern ja wohl bekannt als Objektivhersteller. Herr
Goldhammer kam in russische Gefangenschaft und als er von dieser 5 Jahre
nach Ende des Kriegs zurückkehrte, wollte er aufgrund der Erfahrungen
der vergangenen Jahre, nicht mehr Untergebener von anderen sein, sondern
als freier Ingenieur arbeiten. Nach dem Krieg war so ein Auftrag eine ungeheure Chance, aber wer sollte die Kameras bauen, Herr Goldhammer hatte selber ja keine Fabrik? Hannes Porst, mit dem er ebenfalls bekannt war, gab ihm den Typ: "Dort am Bodensee ist eine Firma von der Askania, die etwas zum Produzieren suchen." Nachdem Herr Goldhammers Frau vom Bodensee stammte und er selbst möglichst weit weg wollte von der Ostgrenze (Parallele zu Herrn Armbruster von AkA), war ihm dieser Vorschlag sympathisch. Herr Wilde vom Bodenseewerk war sehr erfreut von dieser Chance und so wurde man sich einig, die Stereokamera gemeinsam zu bauen. Am 27.05.1953 wurde firmenintern die Produktion der Stereokamera beschlossen. Herr Goldhammer blieb selbstständiger Ingenieur und bekam einen bestimmten Prozentsatz je gebauter Kamera. Er mußte allerdings die kompletten Vorarbeiten für die Produktion selber leisten. Jedoch wohin er kam, wurde Herr Goldhammer mit offenen Armen empfangen. Die Fa. Gauthier in Calmbach war begeistert über einen Auftrag von 40.000 Velio-Verschlüssen, welche in die Kamera eingebaut werden sollten und auch sein Kriegskamerad Rolf Rodenstock lieferte gerne die gewünschten Objektive. Die Oberteile baute die Fa. Ritter in Esslingen.
Am 31. März 1954 wurden 10 Kameras zur Photokina nach Köln per Express geschickt, 17 weitere wurden am 1. April an die Messe in Köln und den Vertrieb im Hause geliefert. Die nächste Stereokamera mit der Seriennr. 100.007 bekam am 22.4.54 ebenfalls der Vertrieb und diese befindet sich heute im Museumsbestand. Die erste kommerzielle Auslieferung mit 95 Kameras war am 7. Mai 1954 und am 14. Mai wurden weitere 200 Kameras an TDC nach Chicago geliefert, wohin auch alle Folgelieferungen gingen. Lieferungen innerhalb von Deutschland sind nur vereinzelt aufgeführt und nur am 15. April 1955 ist die Auslieferung 1 Stereo-Kamera mit der Bezeichnung "Bodan-Stereo" an das Bundeskanzleramt vermerkt. Es dürfte vermutlich die einzige gewesen sein. Die 10.000 Kamera mit der Seriennr. 110 000 befindet sich im Besitz von Herrn Goldhammer. 1956 sind im Auftragsbuch mehrere Lieferungen der restlichen Ersatzteilen zur Colorist I nach Amerika vermerkt. Aus Annoncen in amerikanischen Fotozeitschriften zu entnehmen, daß die "Stereo Colorist I" einen Listenpreis von $ 69,50 hatte. Wie aus den vereinzelten Seriennummernangaben im Auslieferungsbuch ersichtlich ist, beginnen die Seriennr. bei 100.000. Am 29. Juli 1954 wurden die Stereo Kameras mit Nr. 102.609 - 102.908 an TDC abgeschickt. Des weiteren gab es Sondernummern für kostenlose Lieferungen an führende Persönlichkeiten. Diese fangen mit A an und dann kommt eine dreistellige Nummer. Im Museum war eine Colorist I mit der Seriennr. A020 ausgestellt. Diese wurde am 12. März 1956 an die deutsche Gesellschaft für Stereoskopie, Berlin-Wilmersdorf geschickt. Wie sie allerdings den Weg zurück nach Überlingen gefunden hat, ist nicht bekannt.
Insgesamt wurden zwischen Mai 1954 und Juni 1956 vertragsgemäß ca. 20.000 Stereo-Kameras Colorist geliefert. 13.000 waren vom Typ I, danach wurde die Produktion umgestellt und die restlichen 7.000 waren Stereo Colorist II. Die Umstellung erfolgte nach der Erinnerung von Herrn Goldhammer im Jahr 1955. Mit der Nummer 318 steht am 20.01.1956 der Umbau von Stereo-Kameras Colorist II in I und III im Auftragsbuch. Auf jeden Fall gingen beide Kameras am 23. März 1956 an TDC nach Chicago. Die Colorist I hatte die Seriennr. A1-001 und die Colorist III die Seriennr. A3-001. Nach den Aufzeichnungen von Herrn Goldhammer wurde der Sucher wesentlich vergrößert und die Zeiten- und Blendeneinstellung in die Kameramitte verlagert. Am linken Objektiv sollte die Entfernungseinstellung angebracht sein, und am anderen der Verschlußaufzug. Dies wäre allerdings eine eindeutige Verschlechterung zur ursprünglichen Colorist gewesen, wo das Spannen des Verschluß‘ mit dem Filmtransport gekoppelt war. Es wurde aber offensichtlich versucht, eine günstige Kamera für die große Masse zu bauen. Das Gehäuse sollte wieder aus Leichtmetall-Guss bestehen. Angeboten wurden den Amerikanern 2 Ausführungen. Der 1. Typ mit 3.5 er Optik, verchromtem Oberteil, verchromter und gravierter Frontplatte und einem großen Sportsucher mit Bildausschnitt und Wasserwaage im Blickfeld für $ 25 bei einer Abnahme von 5000 Stück. Die 2. Version war eine billigere Ausführung: Nur 5.6 er Lichtstärke der Optik, Oberteil und Frontplatte aus Kunststoff und auch nur ein optischer Durchsichtsucher. Hier wäre der Preis bei Abnahme von 10.000 Stück $ 21 gewesen.
Die restlichen Stereo Colorist I wurden zu reduzierten Preisen abgegeben. 1958 war sie bei Großversandhäusern schon für $ 49,50 zu bekommen. 1960 wurden die Restbestände für $ 19,95 verschleudert. Für diesen Preis sollte man sie heute noch bekommen! Auch nach Deutschland wurde die Colorist I wieder reimportiert und "Der Stereo Derpsch", größter Anbieter für Stereofotographie in Deutschland bot sie auf der "photokina 1958" für 168,- DM an. In den Folgejahren wurde der Preis auf 195,- DM heraufgesetzt, was aber im Verhältnis zu den anderen Stereokameras (VK 345,- für die Belplasca – 444,- für die Kodak-Stereo-Kamera) immer noch günstig war. 1963 wurde sie wieder auf 165,- DM reduziert und ein Jahr später aus dem Sortiment genommen. Nachdem sie in Deutschland verkauft wurde, findet man die Colorist I doch hin und wieder zu recht akzeptablen Preisen auf den Photobörsen. Wenn man eine Colorist II sucht, ist es wohl am einfachsten, es über ein Auktionshaus (z.B. ebay) in Amerika zu versuchen, in Deutschland ist sie sehr selten und meist recht teuer. Als besonderes Sahnestückchen steht aber noch eine weitere Kameraentwicklung in der Vitrine des Bodenseewerks: Der Verschluß ist zwar völlig verharzt, aber es ist ein funktionsfähiger Prototyp einer einäugigen Spiegelreflexkamera mit der Kamerabezeichnung "Flexomat II. Die Kamera ist ausgestattet mit einem Synchro-Compur-Verschluß. Auf dem Verschlußring ist die Aufschrift "Bodenseewerk Perkin-Elmer & Co GmbH". Als Besonderheit fällt der Filmtransporthebel an der Kameraunterseite auf, der von vorne nach hinten geschwungen wird. Im Auftrags-Buch findet sich unter der Nr. 325 dann auch folgender Eintrag: Entwicklung einer Spiegelreflex-Kamera / Auftraggeber: Eigene Auflage / Datum 24.07.1956 / Nachkalkulation: 22.10.1958.
Speziell das Tele- und das Weitwinkelobjektiv entsprechen von der äußerlichen Bauweise und auch der Brennweite dem Zeiss-Pantar-Objektiv von der Contina III und der Contaflex alpha und beta. Nur das Bajonett unterscheidet sich geringfügig. Wie es allerdings dazu kam, daß Zeiss und Rodenstock ein fast identisches Objektiv herstellten, wäre interesant zu wissen. Auch die Kamera ähnelt sehr stark der Contaflex. Durch die Leichtmetallbauweise (Oberkappe aus eloxiertem Aluminium) wirkt sie nicht ganz so globig wie die Contaflex. Auch wurde der Belichtungsmesser bereits vor dem Prismensuchers plaziert, was Zeiss erst ab der Contaflex super im Jahr 1959 verwirklichte. Auch diese Kamera wurde von Herrn Goldhammer entwickelt. In seiner persönlichen Sammlung befindet sich noch der 1. Prototyp ohne Belichtungsmesser mit der Aufschrift TDC (diese Kamera könnte ohne den Belichtungsmesser die Flexomat I gewesen sein). Besonders war ihm wiederum die kompakte Bauweise wichtig. Der Transport auf der Unterseite war gekoppelt mit einem Schlitten, der das Hochklappen des Spiegels besorgte. Der Schacht mit dem Spiegel konnte als komplettes Bauteil von vorne eingesetzt werden, was für die Produktion sehr praktisch gewesen wäre. Nachdem er durch seine Verbindungen nach Amerika den dortigen Markt recht gut kannte, wußte Herr Goldhammer, daß von den Japanern und speziell Minolta eine sehr weit entwickelte Spiegelreflexkamera geplant war, gegen die zu bestehen er mit seiner Konstruktion vermutlich keine Chance gehabt hätte. Mit der Minolta SR kam diese Kamera dann 1958 ja auch auf den Markt. So ging auch die "Flexomat" nie in Serie.
Im Kamerabau ist bekanntlich schon einen bestimmte Größe vorgegeben durch den leeren Raum zwischen Objektiv und Film. Herr Goldhammer kam nun auf die geniale Idee, Objektiv und Film näher zusammen zu bringen, indem er über ein Prisma die Lichtstrahlen um 45° nach unten lenkte. Hierduch lagen Objektiv und Film direkt beieinander und er konnte eine kleine, handliche Kamera die doch die volle Größe des Kleinbildformats bot, für die Westentasche konstruieren. Den Sucher brachte er versenkbar zwischen Filmdose und Aufwickelspule, hinter dem Prisma unter. Eine wirklich geniale Idee. Nachdem ihm beim Bodenseewerk als Konstrukteur nur ein Zeichner und ein Feinmechaniker zur Verfügung standen, suchte er nach einem größeren Partner, der auch einen wirtschaftlichen Erfolg garantierte, um diese Kamera zu bauen. Er wandte sich an Kodak in Rochester/USA mit seiner Idee. Die Kamera gefiel den Kodak-Leuten sehr gut, aber man hatte bereits Pläne, die Filmentwicklung und Papierbildherstellung zu automatisieren und da hatte eine Kamera, bei der die Aufnahmen durch das Prisma seitenverkehrt auf dem Film aufgenommen werden, keinen Platz im Sortiment. So verschwand diese Kamera leider unbeachtet in den Schubladen des Konstrukteurs, jedoch der Name bezeichnete ca. 16 Jahre später eine neue Sparte der Fotoindustrie. Wobei man seine Namensidee vermutlich verwendet hat. Herr Goldhammer wurde von Hensold in Wetzlar gerufen, die Ferngläser herstellten und auch in amerikanischen Händen waren. Auch hier machte er sich wieder Gedanken, wie man das Produkt bei gleicher Funktionsfähigkeit und Güte verkleinern kann. Er entwickelte ein Opernglas, bei dem die Linsen oben und unten abgesägt wurden, da man diese Teile für’s Sehen nicht braucht. So wurde das Opernglas flacher. Bei Nichtgebrauch konnte man die beiden Okulare zusammenschieben um es kleiner zu machen. Aber auch den Platz zwischen den Linsen wollte er nutzen und so konstruierte er eine Mechanik, bei der die Linsen in geschlossenem Zustand ganz beieinander lagen und nur wenn man das Opernglas für den Gebrauch auseinanderzog, wanderten auch die Linsen nach vorne und hinten im Okular in ihre richtige Stellung. Nachdem aber auch Hensold in amerikanischen Händen war, mußte er mit Ansehen, wie seine Konstruktion billig in Japan produziert wurde. Daraufhin beschloß er, wenn, dann würde er nur noch etwas eigenes machen. Bei einem Flug von den USA nach Deutschland las er eine Anzeige über einen Electrical-Wastepaper-Basket, und da kam ihm die Idee, einen Reißwolf und einen Papierkorb zu verbinden. Der Aktenvernichter, der heute in fast jedem Büro seinen Dienst tut, war geboren. Seine ehemaligen Mechaniker beim Bodenseewerk, Herr Ziegler und Herr Schleicher hatten eine eigene Firma "Feinwerktechnik" in Markdorf gegründet. Mit ihnen zusammen baute er nun seinen Aktenvernichter und die Firma hatte damit weltweiten Erfolg. Heute ist die Schleicher & Co International AG eine Firma für Bürogeräte mit Vertretungen in aller Welt. Herr Goldhammer selber ist im Aufsichtsrat und Shareholder. Auch steht er der Niederlassung in der USA vor und hat dort seinen 2. Wohnsitz. Der Leitspruch im Leben von Herrn Goldhammer war der selbe wie der von North Carolina / USA: "Esse quam videre" – "Sei mehr als du scheinst zu sein". Ich habe mich sehr gefreut, daß Herr Goldhammer für mich im Juli 2000 seine Schätze ausgepackt hat – sowohl die Kameras wie auch sein reiches Wissen. Ich habe einen glücklichen, zielstrebigen, intelligenten Mann kennengelernt, der auch mit 86 Jahren noch aktiv am Firmengeschehen teilnimmt. Für die Gelegenheit, ihn zu besuchen möchte ich mich auch hier nochmals ganz herzlich bei ihm bedanken. Jetzt möchte nochmals kurz zur Geschichte des Bodenseewerks zurückkehren. Auch die Verbindung zu Herrn Perkin, der mit seinem Konzern Perkin-Elmer Corporation USA, das Bodenseewerk 1954 kaufte, kam durch Herrn Goldhammer zustande. Vermutlich waren die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch fehlendes Kapital doch so groß, daß man selbstständig nicht überleben konnte. Herr Perkin das Bodenseewerk zunehmend in den Bereich der Entwicklung und Produktion von Geräten zur instrumentellen Analytik. Für den Laien ist die Unterscheidung der verschiedensten Analysegeräte sehr schwierig, aber z.B. wurden bei der Winter-Olympiade in Innsbruck BSW-Gaschromatographen zur Doping-Kontrolle eingesetzt und auch die heute so gefürchteten Alkomaten bei der Polizei haben ihre ursprüngliche Entwicklung in Überlingen. 1958 wird die Entwicklung von Flugreglern aufgenommen und an eine weitere, erfolgreiche Produktionstradition von Askania angeknüpft. Später wurde dieser Bereich zu einer eigenen Firma mit dem Namen Fluggerätewerk Bodensee GmbH, heute Bodenseewerk Gerätetechnik (BGT). Wenn Ihnen das nächste Mal auf einer Börse oder Auktion ein Askania-Entfernungsmesser oder eine "Stereo-Colorist" über den Weg läuft, denken Sie vielleicht an die Firma mit ihrer weithin unbekannten, aber wahrlich nicht unbedeutenden fotografischen Tradition, und an Herrn Goldhammer, welcher der Riege der innovativen und großen Kamerakonstrukteure des deutschen Kamerabaus nach dem Krieg angehört. Leider kann das Museum des Bodenseewerks heute nicht mehr besichtigt werden. Zum 1. Januar 1999 wurden Teile des Firmengebäudes vom Bodenseewerk Perkin Elmer GmbH, unter anderem auch die Räume des Werksmuseums an eine andere Firma weitervermietet und die gesamten Museumsbestände in Kisten verpackt. Herr Ringhardtz, der mir sehr freundlich die Museumsbestände erläuterte und großzügig auch schriftliche Unterlagen zur Verfügung stellte, meinte aber sinngemäß: "Er ist guter Hoffnung, daß sich ein Platz für das Museum findet und im Moment geht ja nichts verloren."
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